Adaptive Lernumgebungen
Empirische Befundlage
Uneinheitliche Befundlage
In der Literatur zu adaptiven E-Learning Umgebungen finden sich teilweise nicht belegte Behauptungen, dass Lerner von diesen Lernumgebungen profitieren (z.B. Conlan, Dagger und Wade, 2002). Dabei erscheint die empirisch-experimentelle Befundlage zu adaptiven E-Learning Systemen eher uneinheitlich. Auch sind bisher nur relativ wenige experimentelle Untersuchungen zur Lernwirksamkeit adaptiver Lernumgebungen durchgeführt worden.
Methodische Vorgehensweise
In Experimenten greift man zum Teil auf ein sogenanntes yoked design zurück. Hierbei werden korrespondierende Versuchspersonenpaare gebildet, indem jeweils eine Person der Kontrollgruppe einer bestimmten Person aus der adaptiven Bedingung zugeordnet wird. Während die Lernmaterialien in Abhängigkeit vom Verhalten des Lernenden in der adaptiven Bedingung personalisiert dargeboten werden, sind die Lernmaterialien für Versuchsteilnehmer der Kontrollbedingung nicht auf diese zugeschnitten. Stattdessen erhalten sie exakt dieselben Lernmaterialien in der gleichen Reihenfolge wie die zuvor getesteten, zugeordneten Personen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass sich Experimental- und Kontrollbedingung nur hinsichtlich der Adaptivität voneinander unterscheiden.
Ausgewählte experimentelle Untersuchungen
Die Experimente von Kalyuga und Sweller (2005), Kalyuga (2006), Puntambekar und Stylianou (2005), Schwonke et al. (2006) sowie Van Merriënboer, Schuurman, de Croock und Paas (2002) können einen förderlichen Effekt auf Lernleistungen und Lerneffizienz der Probanden in den adaptiven Versuchsbedingungen im Vergleich zur Kontrollgruppe nachweisen. Bei einigen dieser Studien sind aber versuchsplanerische Mängel zu beachten wie die wiederholte Darbietung des Lernmaterials in den adaptiven Bedingungen im Gegensatz zu den Kontrollgruppen (Kalyuga und Sweller, 2005). Derartige Mängel schränken die Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Versuchsbedingungen deutlich ein. In der Studie von Camp, Paas, Rikers und Van Merriënboer (2001) wurde am Beispiel der Flugsicherung nur in der Lern- nicht jedoch in der anschließenden Transferphase ein positiver Effekt auf Lernleistung und Lerneffizienz festgestellt. Auch die durchgeführte, partielle Replikationsstudie von Salden, Paas, Broers und Van Merriënboer (2004) zeigt eine uneinheitliche Befundlage. Unter den drei adaptiven Bedingungen wird im Vergleich zur Kontrollgruppe zwar eine höhere Lerneffizienz erzielt (gemessen anhand eines eigenen Maßes, welches die Lernleistung in der Testphase sowie die mentale Anstrengung und die benötigte Lernzeit in der Trainingsphase berücksichtigt). Allerdings zeigt sich in der Trainingsphase unter der nicht adaptiven Versuchsbedingung die zweithöchste Lernleistung über die vier Bedingungen hinweg. In der Testphase liegt die Lernleistung ebenso auf dem Niveau der drei adaptiven Gruppen. Im Experiment von Salden et al. (2006), welches ebenfalls auf das oben aufgeführte Effizienzmaß zurückgreift, konnte weder für die Lernleistung noch für die Lerneffizienz in den Transferaufgaben eine Überlegenheit der adaptiven Lernbedingung im Vergleich zu drei Kontrollbedingungen festgestellt werden. Lediglich die Lernleistung in der Trainingsphase war in der adaptiven Gruppe signifikant höher als in den drei anderen Bedingungen.
Kritik
Technische Realisierung im Vordergrund
Neben den relativ wenigen experimentellen Studien mit ihrer uneinheitlichen empirischen Befundlage ist anzumerken, dass Arbeiten zu adaptiven Lernumgebungen oft die technische Realisierung in den Vordergrund stellen und pädagogische Erfordernisse vernachlässigen (Kalyuga, 2007b). Zudem sind die Studien häufig nicht theoretisch eingebettet (vgl. Van Rosmalen et al., 2006). Dabei existieren neben der ACT-R Theorie (z.B. Anderson und Lebiere, 1998) im Kontext der Multimediaforschung diverse Theorien und Modelle, die empirisch zum Teil als gut abgesichert gelten und sich auf adaptive E-Learning Umgebungen unmittelbar übertragen lassen (z.B. Kalyuga, 2007a, 2008). Neben den aufgeführten Theorien zum multimedialen Lernen ist hier besonders der Expertise-Umkehr-Effekt hervorzuheben.
Pauschale Vergleiche
Des Weiteren können Studien, die eine adaptive mit einer nicht adaptiven Versuchsbedingung vergleichen, als zu unspezifisch kritisiert werden. Selbst wenn man in einer Untersuchung einen Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen findet, lassen sich die Befunde nur schwer verallgemeinern, da es beispielsweise darauf ankommt, wie die Adaptivität realisiert wurde. Anstelle solcher pauschalen Vergleiche erscheint meines Erachtens die Überprüfung von Gestaltungsempfehlungen zu adaptiven Lernumgebungen sinnvoller.